Wenn ich an meinem alten Klavier saß, beneidete ich keinen König um sein Glück.
(Joseph Haydn)
Lyrisches über das (C)Klavier
Ans Clavier
Johann Timotheus Hermes
Sey mir gegrüßt mein schmeichelndes Clavier!
Was keine Sprache richtig nennt,
die Krankheit tief in mir,
die mir mein Mund bekennt,
die klag ich dir.
Dich, o Clavier erfand ein Menschenfreund,
ein Mann, der traurig war wie ich,
er hat, wie ich geweint;
voll Kummer schuf er dich,
für sich und mich.
Und Heil sey ihm,
Vert[r]auter meiner Brust,
Heil sey dem Mann, der dich erfand!
Hat ihn, der Schmerz und Lust
An deine Saiten band,
kein Stein genannt?
An Daphnes Klavier
Johann Martin Miller
Wenn der lauten Stadt Getümmel
Nun allmählich leiser hallt,
Und vom rotbeströmten Himmel
Dämmerung hernieder wallt;
Dann, o silbernes Klavier,
Wandelt Daphne hin zu dir!
Heiter, auch von Nacht umgeben,
Schwingt sich ihre Seel' empor;
Engelreine Thaten schweben
Ihr in goldnen Bildern vor.
Ruhig ist ihr Aug', und lacht,
Wie der Mond in stiller Nacht.
Und ein Strom von Harmonieen,
Ihres Lebens Wiederhall,
Geußt, in süßen Melodieen,
Sich in deinen Silberschall;
Ihre ganze Seele glüht,
Und sie singt ein deutsches Lied.
O des neideswerten Lohnes,
Ihre Seele zu erfreun!
Schöpfer ihres Silbertones,
Ihrer Seligkeit zu sein!
Himmel, Himmel! o Klavier!
Ach, sie singt ein Lied von mir!
Laura am Klavier
Friedrich Schiller
Wenn dein Finger durch die Saiten meistert -
Laura, itzt zur Statue entgeistert,
Itzt entkörpert steh' ich da.
Du gebietest über Tod und Leben,
Mächtig, wie von tausend Nervgeweben
Seelen fordert Philadelphia.
Ehrerbietig leiser rauschen
Dann die Lüfte, dir zu lauschen;
Hingeschmiedet zum Gesang
Stehn im ew'gen Wirbelgang,
Einzuziehn die Wonnefülle,
Lauschende Naturen stille.
Zauberin! mit Tönen, wie
Mich mit Blicken, zwingst du sie.
Seelenvolle Harmonien wimmeln,
Ein wollüstig Ungestüm,
Aus den Saiten, wie aus ihren Himmeln
Neugeborne Seraphim;
Wie, des Chaos Riesenarm entronnen,
Aufgejagt vom Schöpfungssturm, die Sonnen
Funkelnd fuhren aus der Nacht,
Strömt der Töne Zaubermacht.
Lieblich itzt, wie über glatten Kieseln
Silberhelle Fluten rieseln,
Majestätisch prächtig nun
Wie des Donners Orgelton,
Stürmend von hinnen izt, wie sich von Felsen
Rauschende schäumende Gießbäche wälzen,
Holdes Gesäusel bald,
Schmeichlerisch linde,
Wie durch den Espenwald
Buhlende Winde -
Schwerer nun und melancholisch düster,
Wie durch toter Wüsten Schauernachtgeflüster,
Wo verlornes Heulen schweift,
Tränenwellen der Cocytus schleift.
Mädchen, sprich! Ich frage, gib mir Kunde:
Stehst mit höhern Geistern du im Bunde?
Ist's die Sprache, lüg mir nicht,
Die man in Elysen spricht?
Von dem Auge weg der Schleier!
Starre Riegel von dem Ohr!
Mädchen! Ha! schon atm ich freier,
Läutert mich ätherisch Feuer?
Tragen Wirbel mich empor? – –
Neuer Geister Sonnensitze
Winken durch zerrißnerHimmel Ritze –
Überm Grabe Morgenrot!
Weg, ihr Spötter, mit Insektenwitze!
Weg! Es ist ein Gott – – – –
Am Klavier
Andreas Kley
Ein Mädchen namens Jentl,
das spielte gern Klavier.
Am liebsten was von Händel.
Am liebsten früh um vier.
Die Nachbarn aber fanden
das alles ziemlich fies.
Und Jentl kam abhanden,
als sie das Haus verließ.
Bald fand man ihre Leiche
am Rand vom Bürgerpark
in einem kleinen Teiche
und warf sie in den Sarg.
Man fragte, wer’s verbrochen.
Und jeder sagte nein.
So stellte man nach Wochen
schon die Ermittlung ein.
Nur aus dem alten Zimmer
des Mädchens klingt um vier
Klaviermusik wie immer.
Ganz ohne ein Klavier.
Dort wohnt seit ein paar Tagen
ein Georg-Friedrich H.
Heut hat man ihn erschlagen.
Doch er war sozusagen
um vier schon wieder da.
Übung am Klavier
Rainer Maria Rilke
Der Sommer summt. Der Nachmittag macht müde;
sie atmete verwirrt ihr frisches Kleid
und legte in die triftige Etüde
die Ungeduld nach einer Wirklichkeit,
die kommen konnte: morgen, heute abend -,
die vielleicht da war, die man nur verbarg;
und vor den Fenstern, hoch und alles habend,
empfand sie plötzlich den verwöhnten Park.
Da brach sie ab; schaute hinaus, verschränkte die Hände; wünschte sich ein langes Buch -
und schob auf einmal den Jasmingeruch
erzürnt zurück. Sie fand, daß er sie kränkte.
Als Sie, zuhörend, am Klavier saß
Franz Grillparzer
Still saß sie da,die Lieblichste von allen,
Aufhorchend, ohne Tadel, ohne Lob;
Das dunkle Tuch war von der Brust gefallen,
Die, nur vom Kleid bedeckt, sich atmend hob;
Das Haupt gesenkt, den Leib nach vorn gebogen, Wie von den fliehnden Tönen nachgezogen.
Nenn ich sie schön? Ist Schönheit doch ein Bild,
Das selbst sich malt und nur sich selbst bedeutet,
Doch Höheres aus diesen Zügen quillt,
Die wie die Züge einer Schrift verbreitet,
An sich oft bildlos, unscheinbare Zeichen,
Doch himmlisch durch den Sinn, den sie erreichen.
So saß sie da, das Regen nur der Wangen
Mit ihren zarten Muskeln rund und weich,
Der Wimpern Zucken, die das Aug umhangen,
Der Lippen Spiel, die Purpurlädchen gleich,
Den Schatz von Perlen hüllen jetzt, nun zeigen,
Verriet Gefühl, von dem die Worte schweigen.
Und wie die Töne brausend sich verwirren,
In stetem Kampfe stets nur halb versöhnt,
Jetzt klagen, wie verflogne Tauben girren,
Jetzt stürmen, wie der Gang der Wetter dröhnt,
Sah ich ihr Lust und Qual im Antlitz kriegen
Und jeder Ton ward Bild in ihren Zügen.
Mitleidend wollt ich schon zum Künstler rufen:
»Halt ein! Warum zermalmst du ihre Brust?«
Da war erreicht die schneidendste der Stufen,
Der Ton des Schmerzes ward zum Ton der Lust,
Und wie Neptun, vor dem die Stürme flogen,
Hob sich der Dreiklang ebnend aus den Wogen,
Und wie die Sonne steigt; die Strahlen dringen
Durch der zersprengten Wetter dunkle Nacht,
So ging ihr Aug, an dem noch Tropfen hingen,
Hellglänzend auf in sonnengleicher Pracht;
Ein leises Ach aus ihrem süßen Munde,
Sah, wie nach Mitgefühl, sie in die Runde.
Da triebs mich auf; nun soll sies hören!
Was mich schon längst bewegt, nun werd ihrs kund! Doch blickt sie her; den Künstler nicht zu stören
Befiehlt ihr Finger schwichtgend an dem Mund,
Und wieder seh ich horchend sie sich neigen
Und wieder muß ich sitzen, wieder schweigen.
Ein Steckenpferd hockt am Klavier
Roman Herberh
Ein Steckenpferd hockt am Klavier
und klimpert auf den Tasten.
Man merkt sogleich, das arme Tier,
hat nicht viel auf dem Kasten.
Es stolpert, wenn es scharf galoppt
im ebenen Gelände.
Der Klangfluss streikt, ein Finger stoppt.
So geht das Lied zu Ende.
Doch keiner hat sich groß beschwert.
Das Stück ging in die Hose.
Es wird aus diesem Steckenpferd
bestimmt kein Virtuose.
An Dudeldum
Christian Friedrich Daniel Schubart
Ei Dudeldum! so greif
In dein Klavier so steif!
Zwar sind die Finger brav,
Nie fehlt's in der Octav',
Noch in der Quint' und Terz;
Nur Eines fehlt – das Herz!
Haiku-Lyrik
Gabriele Walter
Das Klavier so klar
wie kristalline Wellen –
stürmisch wie die See.
Chopin
Robert Walser
Wie schön ist es, ihm zuzuhören,
er läßt dich augenblicklich träumen
und phantasieren. Liebtest du
bis heut' noch nie, so bist du nun
Liebender und gehörst nicht mehr
dir, und darüber bist du glücklich.
O Seligkeit, nicht mehr an sich,
ans arme Eigene zu denken,
sich reich zu fühlen, weil nun alles
Empfinden losgelöst ist von dem
einschnürenden, gemeinen Selbst.
Töne von Chopin, sind es Locken,
ist's ein verführerisches Lächeln,
Duft von ägypt'schen Zigaretten,
Form und Geruch von Blumen? O, wie
blüht nun das Herz und schwelgt die Seele.
Ein wundervoller, goldner Abgrund
öffnet sich dir, und Abendsonne
liebkost dich, und du bist in einem
anderen Lande, wo es viel
zärtlicher hergeht und viel weicher,
und ruhiger und unabhäng'ger,
wo hohe Bäume dich umschatten
und Hell- und Dunkelheit sich zu
reizenden Melodien vermischen,
wo Trauer schön ist und die Wehmut
herrlich, ganz wie Musik von ihm, dem
Polen, der einstmals in Paris
Konzerte gab, wo er vor aller
Welt spielte, vor Soldaten, schlichten
Arbeitern, vor Bankiers, Ministern.
Wen riß er nicht mit seiner Hände
Getändel zur Bewundrung hin?
Jeden bezauberte er. Heinrich
Heine, der Spötter, liebt' und ehrt' ihn.
Er spielte so, als tät' er's völlig
für sich, Gesellschaft, Einsamkeit
waren für ihn dasselbe, doch
gab er vielleicht sein Innigstes
mitten im Weltgewühl, er spielte
darum so schön, weil's ihn beglückte,
daß er's verschenken durfte. Edlem
Gemüt ist Geben ein Bedürfnis.
Mein blaues Klavier
Else Lasker-Schüler
Ich habe zu Hause ein blaues Klavier
Und kenne doch keine Note.
Es steht im Dunkel der Kellertür,
Seitdem die Welt verrohte.
Es spielten Sternenhände vier -
-Die Mondfrau sang im Boote-
Nun tanzen die Ratten im Geklirr.
Zerbrochen ist die Klaviatür...
Ich beweine die blaue Tote.
Ach liebe Engel öffnet mir
-Ich aß vom bitteren Brote-
Mir lebend schon die Himmelstür-
Auch wider dem Verbote.
Am Klavier
Hugo Salus
Spiel was von Mozart! Ich liebe dich sehr:
Spiel was von Mozart! Dann lieb' ich dich mehr!
Mädchen, von Mozartwohlklang umflossen:
Alle Schönheit liegt drinnen verschlossen.
Ich seh' auf den Tasten den hüpfenden Reigen
Schlanker Finger sich tummeln und neigen,
Zehn Finger hüpfen im wirbelsichern,
Jubelnden Tanz und die Töne kichern.
Das strömt so hell aus den Saiten heraus,
Wie Kinder aus einem dunklen Haus,
Ist rein und klar, wie Frühlingslüfte,
Und süß und innig, wie Frühlingsdüfte.
Da wird der Wohllaut zur Farbe und glitzt
Und schimmert und flimmert und leuchtet und blitzt!
Fünfhundert Falter mit funkelndem Glanze
Schweben um dich in sprühendem Tanze!
Singende Falter! Du Zauberin du,
Selig schau' ich dem Märchen zu,
Und mein klingendes Herz auf Falterschwingen
Wiegt sich inmitten den Schmetterlingen...
Der Schicksalswalzer
Robert Odemann
In einem Bechsteinflügel lebte, dick und satt,
ein Mottenliebespärchen, ganz verborgen,
das sich am Filz der Hämmer gütlich tat.
Die beiden kannten keine Nahrungssorgen.
Doch wer nur immer frißt und liebt und frißt,
gedankenlos der Völlerei ergeben,
und darüber dann das Geistige vergißt,
der führt ein inhaltloses, schales Leben.
Der Mottenmann war etwas trivial,
hat nichts bei klassischer Musik empfunden.
Chopin und Schumann, sagte er einmal,
die würden seine Ohren nur verwunden.
Sie sagte spitz: "Jaah, du laßt nur Lehár
und seinen blöden Donauwalzer gelten.
Es wird mir immer deutlicher jetzt klar,
wir beiden leben in getrennten Welten."
Er sagte barsch: "Ach, spiel dich nicht so auf,
als ob du diesen Tonsalat verstündest!
Dann hau doch ab, ich warte nur darauf.
Schau, daß du einen Seelenpartner findest."
Da trennten sich die beiden dann im Haß.
Sie ist in den Diskant hinaufgezogen,
und er blieb, wo er immer war, im Baß.
Im Grunde waren sie sich noch gewogen.
Doch keiner sagte: "Liebling ach, verzeih."
Im Gegenteil, sie trotzten und sie schmollten.
Dabei verharrten sie. Bis dann die zwei
das Fürchterlichste bald erleben sollten.
Denn an den Flügel setzte sich ein Mann,
ein Virtuose, ein ganz weltbekannter.
Der fing ganz zart mit Joseph Haydn an,
und etwas später spielte er brillanter.
Mit letzter Meisterschaft, ganz unerhört,
erklang von ihm mit Verve und Ekstase
(das hat den Mottenmann total betört)
nun eine Donauwalzer Paraphrase.
Das Stück – es war in D-Dur komponiert –,
das brachte nun das Kommende ins Rollen.
In Es-Dur wäre niemals das passiert,
was wir hier wahrgetreu berichten wollen.
Denn er sah drüben im Diskant allein
ganz traurig seine kleine Freundin stehen.
Er dachte sich: Das renk' ich wieder ein.
Genug geschmollt, ich muß jetzt zu ihr gehen.
Sie hatte seine Absicht schon erkannt
und winkte ihm: Bleib da, bleib da, mein Lieber!
Doch er war aus dem Baß schon losgerannt.
Er dachte nur: Ich muß zu ihr hinüber.
Und wenn sie meinen Walzer auch nicht schätzt,
du lieber Gott, da ist man doch nicht kleinlich.
Ich hab' sie letzten Endes auch verletzt.
Sie wartet doch auf mich dort höchstwahrscheinlich.
Beflügelt von der Walzermelodie,
sprang mutig er von Hammer jetzt zu Hammer.
Er dachte voller Sehnsucht nur an sie,
da sprang er auf ein A, o welch ein Jammer.
Er ahnte nicht, daß er ins Unglück lief,
denn eben dieses A war unerläßlich
für das bekannte Walzerterzmotiv,
und dieses A zerschmetterte ihn gräßlich.
Mit eignen Augen sah sie diesen Graus,
wie er für sie dort in den Tod gegangen.
Die Walzermelodie von Johann Strauß
hat sie wie einen Keulenschlag empfangen.
Gewissensbisse packten sie nunmehr.
Das war die Weise, die er zärtlich liebte,
mit der sie ihn verspottete so sehr,
um derentwegen Selbstmord er verübte.
An ihrer Seele zerrte es und riß,
im Schuldgefühl begann sie zu erbeben.
Da warf sie sich verzweifelt auf ein Fis
und blieb wie er an diesem Hammer kleben.
Man merke es sich ein für allemal:
Man lasse doch bei künstlerischen Dingen
jedweder Kreatur die eigne Wahl,
denn der Geschmack läßt sich doch niemals zwingen.
Es mögen Menschen oder Motten sein,
sie sollen sich nach Wunsch nur amüsieren.
In keinem Falle greife man da ein,
denn sonst kann etwas Schreckliches passieren.
An mein Klavier
Lukas Schadeberg
Ach, mein heiliges Klavier,
ziehst mich wieder ran zu dir,
denn im Herzen brodeln meine
Emotionen und ich weine.
Zapf ab meine Liebesnot,
sonst reißt sie mich in den Tod!
Nimm, du Seelenspiegel, auf
meinen herben Tränenlauf!
Lass den Wunsch, der mich beklemmet
,auf dich rieseln ungehemmet!
Säuber' mich vom Sehnsuchtsschmerz
bei wehmütgen Quint' und Terz'!
Meine Finger küssen zart
deine Tasten - ach wie hart.
Spürst du diese Harmonien,
meines Herzens Melodien,
meine warm' und weiche Lieb',
die seither uns zwein nur blieb?
Oh, mein Freund, mein Held, nun sprich:
Oh warum will bloß durch mich
und durch deine Klangpalette
keine lieblich, niedlich, nette
Jungfer ach in Lieb' gedeihn,
allzeit angehimmelt sein?
Du nur bleibst in Ewigkeit
treu mir holde Tast'einheit;
weidest gern dich in dem Alle
bittersüßer Lovesongsschalle!
Schön und sinnlich sind fürwahr
unsre Stunden, Tage, Jahr'!
Das Klavier
Friedrich Wilhelm Zachariae
Du Echo meiner Klagen,
Mein treues Saitenspiel,
Nun kömmt nach trüben Tagen
Die Nacht, der Sorgen Ziel.
Gehorcht mir, sanfte Saiten,
Und helft mein Lied bestreiten -
Doch nein, laß mir mein Leid
Und meine Zärtlichkeit.
Wenn ich untröstbar scheine,
Lieb ich doch meinen Schmerz;
Und wenn ich einsam weine,
Weint doch ein liebend' Herz.
Die Zeit nur ist verloren,
Die ich mit goldnen Toren
Bei Spiel und Wein und Pracht
So fühllos durchgelacht.
Ihr holden Saiten, klinget
In sanfter Harmonie!
Flieht, was die Oper singet,
Und folgt der Phantasie.
Seid sanft, wie meine Liebe,
Besinget ihre Triebe
Und zeigt durch eure Macht,
Daß sie euch siegend macht.
Von einer Geige und einem Klavier
Alfons Pillach
Die Geige sprach zu dem Klavier:
„Dein Körperbau ist keine Zier!
Sieh her, wie bin ich doch grazil
und ebenso mein Saitenspiel!
Wie bin ich elegant und schlank
und habe Formen, Gott sein Dank!“
Piano schmunzelte und tönte:
„Wenn ich wie du der Schönheit frönte,
dann ginge ich, bevor ich sterbe,
zu einem Schönheitswettbewerbe!“
Doch dazu war die Geige,
trotz ihrer Formen, viel zu feige.
Zu guter Letzt
Wilhelm Busch
Ein gutes Tier
Ist das Klavier,
Still, friedlich und bescheiden,
Und muß dabei
Doch vielerlei
Erdulden und erleiden.
Der Virtuos
Stürzt darauf los
Mit hochgesträubter Mähne.
Er öffnet ihm
Voll Ungestüm
Den Leib, gleich der Hyäne.
Und rasend wild,
Das Herz erfüllt
Von mörderlicher Freude,
Durchwühlt er dann,
Soweit er kann,
Des Opfers Eingeweide.
Wie es da schrie,
Das arme Vieh,
Und unter Angstgewimmer
Bald hoch, bald tief
Um Hilfe rief
Vergess' ich nie und nimmer.
Ein Pianist spielt Liszt
Heinz Erhard
O eminenter Tastenhengst,
der du der Töne Schlachten lenkst
und sie mit jeder Hand für sich
zum Siege führst, dich preise ich!
Du bist ein gottgesandter Streiter,
ein Heros, ein Akkordarbeiter.
Im Schweiße deiner flinken Finger,
drückst du auf jene langen Dinger,
die man gewöhnlich Tasten nennt,
und die, grad wie beim Schach, getrennt
in Schwarz und Weiß ihr Dasein fristen,
als Requisit des Pianisten
.Doch nicht nur deiner Finger Schwielen
brauchst du zum Greifen und zum Spielen,
nein, was man meistens gar nicht glaubt:
du brauchst dazu sogar dein Haupt!
Mal fällt's, als ob du schlafen mußt,
auf deine stark erregte Brust,
mal fällt's mit furchtbar irrem Blick,
so weit es irgend geht, zurück,
und kommst du gänzlich in Ekstase,
hängt dir ein Tropfen an der Nase.
Und hast du endlich ausgerast,
sagt sich der Hörer: Liszt - not last!
O eminenter Tastenhengst,
der du der Töne Schlachten lenkst
und sie mit jeder Hand für sich
zum Siege führst, dich preise ich!
Und jeder Hörer merkt alsbald:
du siegst mit Liszt, nicht mit Gewalt!
Das Klavier im Café Meier
unbekannt
Verstimmt von ewiger Wiederkehr der Gezeiten
und überdrüssig der leergehörten Lieder,
erzählt das Klavier an jedem Samstagabend
im wochenmüden Café
die Geschichten aus jenen Tagen,
als das Leben noch ganz war.
Die Bögen der Melodien suchen
über den vertrauten Taktstrichen
eine Brücke zu den Erinnerungen.
Versprechen verlieren sich in zerspielten Takten.
Der Blick zurück verzeiht die falschen Töne,
die Tränen ergänzen die vergessenen Noten.
Im Déjàvu verklingt allmählich das „Was wäre gewesen …“.
Das Dunkel draußen setzt den Schlussakkord.
Die Träume verlieren sich in der schneeklaren Nacht
-sie blieben ungespielt …
Das Klavierkonzert
Linda Li
Ich hab geschenkt bekommen
ganz unverhofft und unbeklommen
einen Konzertbesuch...
und zwar ein Spiel - das - am Klavier
aber - jenes mit dem Flügel.
Das erste Mal in meinem Leben
weil eben - sich das Leben dreht
ein jeder hat - so seinen Weg.
Es war in einem wunderbaren Saal
mit hohen Marmorsäulen
in dem auch unsre Kunst einmal
sich stolz den Menschen zeigte.
Nun gut - ich sitze harrend da
so wie die Andren - die gekommen.
Man wartet auf Musik
aus einem andren Land
Italien - das ist bekannt
hat große Meister der Musik
in unsre Welt geboren
und ein weiblich Wesen
ja - eine Frau - ist auserlesen
uns dieses Land und mehr
nun tief ins Herz zu legen
durch den Ton der Tasten eben.
Ich bin ihr schon mal - nah gekommen
ja einmal - ihr begegnet
deshalb vielleicht - so stark gesegnet.
Denn nun beginnt - das Spiel der Töne
sie reisen in die Tiefe meiner Seele
und treiben dort ein wildes Spiel
ich erkenne auch ihr Ziel
sie wollen mich dorthin entführen
dorthin - wo sie - geboren sind.
Ich darf ein Zeuge sein
so wie die Finger derer
die sie spielen...
des Augenblickes
der Geburt der Töne
und jenes Lebens - das sie erschuf.
Es gibt nur einen Grund im Leben
zur Liebe uns zu führen.
Nach einer kleinen Ewigkeit
Wie sagt man - ja - nach etwas Zeit
da wach ich auf - aus dieser Welt
ja - einer Welt...
wo's gibt - nur einen Held
„Die wahre - ewge Liebe "
Klavier
Jürgen Wagner
Es perlt und es fließt
Es klingt und beschwingt
Es stürmt und es tost
Es berauscht und es singt
Es steigt und es fällt
Es liebt und es wiegt
Es spricht und berührt
Es kommt und es siegt
Musik wird störend oft empfunden ...
Heinz Säring
Der Junge guckt zum Fenster raus,
- der Vater ist grad nicht zu Haus -
und deshalb spricht der junge Mann
beherzt den Nachbar Müller an.
Wobei er ganz vertraulich spricht:
"Pardon, Herr Müller, stört das nicht,
wenn täglich ich von zwei bis vier
hier üben muss auf dem Klavier?"
"Schön, junger Mann, dass Sie mich fragen,
es ist sehr lästig, muss ich sagen!
""Das brauchen Sie doch nicht zu dulden,
ganz klar, dass wir hier Rücksicht schulden!
Nun sagen Sie's nur meinem Vater,
und machen ordentlich Theater!
Sie sollten mal - ganz im Vertrauen -
gehörig auf die Pauke hauen!
Bloß, -wenn er etwa danach fragt -
ich hab natürlich nichts gesagt!"
Der Vater sprach in sanftem Tone
drei Tage drauf mit seinem Sohne.
Er meint zu ihm: "Hans mit dem Üben,
wir habens doch wohl übertrieben.
Denn schließlich, es genügt im Grunde
drei mal die Woche eine Stunde."
"Ja Paps, an mir soll es nicht liegen,
ich werd mich deinem Willen fügen.
Und, wenn du meinst, das kann genügen,
dann werd ich mich damit begnügen.
"Hans und der Nachbar, diese beiden,
die können sich jetzt prima leiden.
Auf einen Klavierspieler
Eduard Möricke
Hört ihn und seht sein dürftig Instrument!
Die alte, klepperdürre Mähre,
Auf der ihr jede Rippe zählen könnt,
Verwandelt sich im Griffe dieses Knaben
Zu einem Pferd von wilder, edler Art,
Das in Arabiens Glut geboren ward!
Es will nicht Zeug noch Zügel haben,
Es bäumt den Leib, zeigt wiehernd seine Zähne, Dann schüttelt sich die weiße Mähne,
Wie Schaum des Meers zum Himmel spritzt,
Bis ihm, besiegt von dem gelass'nen Reiter,
Im Aug' die bittre Träne blitzt –
O horch! nun tanzt es sanft auf goldner Töne Leiter!
Ans Clavier
unbekannt
Mit stillem Kummer in der Brust,
Schleich' ich mich jetzt zu dir.
Verleih mir unschuldsvolle Lust,
Du zärtliches Clavier!
In deine Saiten sing' ichs oft,
Verfolgt die Bosheit mich.
Die Thräne fließt – und unverhofft
Genieß' ich Ruh durch dich!
Du lispelst meine Klagen nach,
Voll Sympathie – und auch
Verräthst du niemals, was ich sprach,
Nach falscher Freunde Brauch.
Bald sing' ich zu dem Silberklang
Von deinem Saitenspiel
Dem Herrn der Erde Lobgesang,
Und warmes Dankgefühl.
Bald sing' ich keusche Liebe drein,
Die mir im Busen glüht,
Und so wie deine Saiten rein –
Vor Gottes Augen blüht.
So laut mein Herz der Tugend schlägt,
So laut sey mein Gesang!
So lang mein Busen Unschuld hegt,
Verleih mir Himmelsklang!
Das ungewisse Glück der Welt
Erhöhst du immer mir.
Und wenn mir's Neid und Haß vergällt,
So find ich Trost bey dir! –
Dank sey dem Mann, der hohe Lust
Einst durchs Clavier erfand!
Ihm danke jede sanfte Brust,
Die Freude durch ihn fand!
Die Geruchsorgel
Christian Morgenstern
Palmström baut sich eine Geruchs-Orgel
und spielt drauf v. Korfs Nießwurz-Sonate.
Diese beginnt mit Alpenkräuter-Triolen
und erfreut durch eine Akazien-Arie.
Doch im Scherzo, plötzlich und unerwartet,
zwischen Tuberosen und Eukalyptus,
folgen die drei berühmten Nießwurz-Stellen,
welche der Sonate den Namen geben.
Palmström fällt bei diesen Ha-Cis-Synkopen
jedesmal beinahe vom Sessel,
während Korf daheim, am sichern Schreibtisch
sitzend, Opus hinter Opus aufs Papier wirft ...
Valse Brillante
Hermann Hesse
Ein Tanz von Chopin lärmt im Saal,
Ein wilder, zügelloser Tanz.
Die Fenster leuchten wetterfahl,
Den Flügel ziert ein welker Kranz.
Den Flügel du, die Geige ich,
So spielen wir und enden nicht
Und warten angstvoll, du und ich,
Wer wohl zuerst den Zauber bricht.
Wer wohl zuerst einhält im Takt
Und von sich weg die Lichter schiebt,
Und wer zuerst die Frage sagt,
Auf die es keine Antwort gibt.
Serafina an ihr Klavier
Christian Friedrich Daniel Schubart
Sanftes Klavier!
Welche Entzückungen schaffst du in mir,
Sanftes Klavier!
Wenn sich die Schönen
Tändelnd verwöhnen,
Weih’ ich mich dir,
Liebes Klavier!
Bin ich allein,
Hauch’ ich dir meine Empfindungen ein,
Himmlisch und rein.
Unschuld im Spiele,
Tugendgefühle
Sprechen aus dir,
Trautes Klavier!
Melancholie
Dunkelt die Seele der Spielerin nie,
Heiter ist sie!
Tanzende Docken,
Töne, wie Glocken,
Flößen ins Blut
Rosigen Muth.
Sing’ ich dazu,
Goldener Flügel, welch’ himmlische Ruh’
Lispelst mir du!
Thränen der Freude
Netzen die Saite!
Silberner Klang
Trägt den Gesang.
Tugend, ach dir!
Unschuld, dir weih’ ich mein liebes Klavier;
Stimmet es mir,
Engel, ihr Hüter
Frommer Gemüther;
Jeder Ton sei,
Himmel, dir treu.
Sanftes Klavier!
Welche Entzückungen schaffst du in mir,
Goldnes Klavier!
Wenn mich im Leben
Sorgen umschweben,
Töne du mir,
Trautes Klavier!
Der Klavierspieler
Hans-Eckardt Wenzel
Man müsste Klavier spielen können.
wer Klavier spielt, der hat niemals Zeit.
Er übt, während andre sich kämmen
und quält sich und tut allen leid.
Er nervt seine Nachbarn durchs Üben
und entgeht nur knapp dem Attentat,
sein Rücken ist krumm von Etüden,
verspannt sein Bewegungsapparat.
Er ziert sich beim Kettensägen.
Er bricht sich nicht gerne die Hand.
Sein Ehrgeiz macht jeden verlegen,
seine Nerven sind knallhart gespannt.
Am Keyboard bekommt er Ekzeme.
Er spielt nicht gern Volleyball.
Wer Klavier spielt, der liebt das Extreme.
Wer Klavier spielt, der hat einen Knall.
Das Klavier
Christian Felix Weiße
Süßertönendes Klavier,
Welche Freuden schaffst du mir!
In der Einsamkeit gebricht
Mir es an Ergötzen nicht;
Du bist, was ich selber will,
Bald Erweckung und bald Spiel
.Scherz ich, so ertönet mir
Ein scherzhaftes Lied von dir;
Will ich aber traurig sein,
Klagend stimmst du mit mir ein;
Heb ich fromme Lieder an,
Wie erhaben klingst du dann!
Niemals öffne meine Brust
Sich der Lockung falscher Lust!
Meine Freuden müssen rein,
So wie meine Saiten sein,
Und mein ganzes Leben nie
Ohne süße Harmonie.
Als Mariane am Klavier sang
Johann Martin MIller (1775)
Alles schläft! Nur silbern schallet
Marianens Stimme noch!
Gott, von welcher Regung wallet
Mein gepreßter Busen hoch!
Zwischen Wonn' und bangem Schmerz
Schwankt mein liebekrankes Herz.
Schwind, o Erde! Laß mich fliegen
Zu des Hochgelobten Thron;
Mich mit ihr im Staube liegen,
Seufzen mit in ihren Ton!
Gott, du hörst es, was sie fleht;
Acht auch mit auf mein Gebet!
Daß ich lang um sie mich quäle,
Ist der Holden unbewußt.
Send, o Gott, der frommen Seele
Lieb' und Mitleid in die Brust!
Wär' ihr nur mein Leid bekannt,
Wär' auch meine Qual verbannt. –
Gott! Ich seh den Himmel offen;
Freud' und Leben winken mir!
Daß mein Herz darf wieder hoffen,
Mariane, dank' ich dir.
Sing, und zaubr', o Sängerin,
Ganz ins Paradies mich hin!
Die Klavierspielerin
Heinrich Wilhelm von Gerstenberg
Bestes, trautes Klavier,
Schalle, schalle
Lauter Liebe!
Lauter süße Liebe
Sei dein schmelzendes Saitenspiel!
Denn ich fühl es, ich fühl's,
Dieser Busen schmilzt vor Liebe;
Ach! Wie wallt, wie wallt er,
Des verschwiegnen Bewußtseins voll!
Aber, Theon, du weinst,
Nennst mich kälter
Als das Eismeer:
Und, Grausamer, siehst nicht,
Wie ich zittre, dich anzusehn!
Wie die Wange mir glüht!
Und die Stimme
Itzt dahinstirbt;
Und der Finger bebend
In die Töne hinüberfliegt.
Weh mir! Wenn er nun kommt!
Und nun sprachlos
Horcht und seufzet,
Und nun meine Seele
Ganz im Feuer der Liebe strömt!
Welchen leisesten Ton
Soll ich, Himmel!
Soll ich wählen,
Der doch ganz ihm sage:
Bester Jüngling, ich liebe dich!
Ach! Die Wange wird glühn,
Und die Stimme
Wird verstummen
Und der Finger bebend
In die Töne hinüberfliehn;
Und der silberne Laut,
Zittern wird er
Auf der Saite,
Noch ersterbend sagen:
Bester Jüngling, ich liebe dich!
Man müsste Klavier spielen können
Johannes Heesters
Man müßte Klavier spielen können,
Wer Klavier spielt hat Glück bei den Frau'n.
Weil die Herrn, die Musik machen können,
Schnell erobern der Damen Vertrau'n.
Der Klang des bespielten Klavieres
Wirkt auf jede erregend wie Sekt,
Und ihre geheimsten Gefühle
Werden piano doch forte geweckt.
Dem Manne, der das kann, macht sie Avancen,
Er wird von ihr mit Zärtlichkeit belohnt.
Die andern Männer haben keine Chancen,
Sie schaun aufs Instrument und in den Mond.
In der Liebe Glück zu haben
Ist nicht immer leicht,
Doch es gibt verschied'ne Wege,
Wie man das erreicht:
Mit Musik geht es am besten,
Und wir zeigen hier,
Wie man schöne Fraun bezaubert
Am geduldigen Klavier:
Man müßte Klavier spielen können,
Wer Klavier spielt hat Glück bei den Frau'n,
Denn nur er kann mit Tönen
Den lauschenden Schönen
Ein Luftschloß der Liebe erbau'n.
Cembalo
Hans Leip
Seltsamer Schrein
mit der Manuale
Tastenreihn,
der Finger und
Himmel Verbindung
über der Saiten Strahl.
Ihr Schleuderbretter
unsäglicher Empfindung
auf zur Pforte
der Unwägbarkeit.
Schwirrt, knisternde Register,
weit über das, was ist!
Notenblätter, ihr Wegweiser
und Segel, seid gehißt!
Was klingt,
was zerspringt,
o sehnende Kadenz,
im flirrenden Stahl?
Aller Worte
Schale.
Sonett 128
William Shakespeare
How oft, when thou, my music, music play'st
Upon that blessed wood whose motion sounds
With thy sweet fingers, when thou gently sway'st
The wiry concord that mine ear confounds,
Do I envy those jacks that nimble leap
To kiss the tender inward of thy hand,
Whilst my poor lips, which should that harvest reap
At the wood's boldness by thee blushing stand!
To be so tickled, they would change their state
And situation with those dancing chips
O'er whom thy fingers walk with gentle gait,
Making dead wood more blest than living lips.
Since saucy jacks so happy are in this,
Give them thy fingers, me thy lips to kiss.
Musik bist du für mich, doch wenn Musik erklingt
Aus diesem hölzernen, dem drahtbespannten Kasten
Weil jeder deiner süßen Finger lieblich singt
Wenn sie im Takt des Busens über Tasten hasten
Ach, wie beneid ich dann die Holzklötzchen um dich
Sie kitzeln deine Hände keck beim Rumklaviern
Und meine armen Lippen schmachten, röten sich
Vor Zorn, wenn sich so Kerlchen mit dir amüsiern
Die necken, schmeicheln, treiben schamlos Schabernack
Mein Kußmaul wird verschäht – ich leide Frust
Denn deine Finger tätscheln totes Tastenpack
Statt daß sie mich, der lebt, beseligen mit Lust
Na gut, wenn deine Hände Holz halt streicheln müssen
Lass deine Lippen mir! Ich brauch sie doch zum Küssen
Übersetzung: Wolf Biermann
Wie oft, mein Herz, wenn du die Tasten rührst,
Daß unter deinen zarten Fingern klingt
Beglückt ihr Holz, und alle Saiten führst
Zum vollen Einklang, der mein Ohr bezwingt;
Wie oft beneide ich die Tasten dann,
Die deiner Hand entbieten ihren Kuß,
Wenn ich in der Entsagung schwerem Bann
Ihr keckes Spiel errötend sehen muß.
Ach, meine Lippen tauschten Rang und Stand
Mit ihnen gern um soviel Seligkeit,
Da totem Holz der Druck von deiner Hand
Mehr Glück als der lebend'gen Lippe leiht.
Scheint wert das Holz so hoher Gnade dir,
Gib ihm die Hand zum Kuß, die Lippe mir!
Übersetzung: Max Josef Wolff
Wenn du, mein Wohllaut, Wohllaut läßt erklingen
Aus dem geweihten Holz, das tönend wird,
Wenn deine süßen Finger sanft beschwingen
Der Drähte Einklang, der mein Herz verwirrt,
Zürn ich den Tasten, die im Tanz berührt
Zu hast'gem Kuß das Innre deiner Hand
Indes mein armer Mund, dem dies gebührt,
Errötend ob des Holzes Kühnheit stand.
Gern hätt Gestalt und Wesen er getauscht
Mit den Gesellen, die da tanzend wippen,
Da deine Hand das tote Holz berauscht
und mehr beglückt als die lebendigen Lippen.
Doch wenn die Kecken schon verwöhnt von dir,
Gib ihnen deine Hand, den Mund gib mir.
Übersetzung: Therese Robinson
Konzert einer Klavierlehrerin
Franz Werfel
Die dicke Dame mit den Sommersprossen,
Die tief sich in die Dekolletage wagen
– Ich wünsche Bluse ihr und steifen Kragen -,
Sitzt schon am Flügel, fett und hingegossen.
Die Noten ziehn gleich Pompefunèbre-Rossen.
Chopin, der Trauermarsch ... und so getragen ...
Ich fühle nur ein leeres Mißbehagen,
Von dieses Weibes Übermaß verdrossen.
Die Schülerinnen sitzen in der Runde
Und tun entzückt und hassen sie im stillen.
Zehn Rosenkörbe glühn wie milde Fackeln
Aufleuchtend lieblich aus dem Hintergrunde,
Und schauen aus geängstigten Pupillen
Auf ihre Brüste, die im Takte wackeln.
Ohne Titel
Eckhard Fiebigt
Vor meinem Fenster steht
ein blaues Klavier
und ich
unter dem Himmel
der Wolken sammelt
um mich
Pianistin unsichtbar
in Leidenschaft verführt
nur mich
entlockt den Tasten
ungetrübte Göttlichkeit
für mich
Vor meinem Fenster steht
ein blaues Klavier
um mich
Harmonien in Pianoforte
blühende Klänge, tiefer Schmerz
und ich
ungetrübtes Spiel
lockt beflügelte Gestalten
für mich
komm süßer Tod
vollkommene Leichtigkeit
und ich
Vor meinem Fenster steht
ein blaues Klavier
und im Liebesspiel der Gezeiten
lecken rote Wellen
an den Strand
Dem Musiker
Johannes R. Becher
Verwühl dich krallend in die Tastatur!
Noch reißt du sie aus den zerstampften Böden.
O Pfeifen schwirren! Baß schrumpft. Schwelle nur!
Gezückter Schwarm wie aufgestäubter Flöten.
Schreit in Pedalen! Hackt! Brich ein. Stoß vor! Erwürgen
Nun rieselnd auf und ab in hellsten Trillerläufen.
Da glüht es leicht von rosenen Bezirken.
Tumulte ebben. Hügelzonen schweifen.
Und Menschen flügeln. Lippen. Harmonien.
Jaguare fleußen der versternten Nacht.
Melodisch Winde im Gemäuer ziehen.
Nach Gott verrenkt wir Tänzer fabelhaft.
Höll-Labyrinthe füllen Licht-Akkorde.
Blut sprießt geballt zu tönendem Enzian.
O Schädelstätten Knochenbrei! Gomorrha ...
O Himmel: Leib! Magischen Grüns ... O Glanz!!
Klavier
Gerwin Degmair
„Klavier“ nennt man ein Instrument,
worauf man mit den Fingern rennt.
Mag es dann "singen" oder "stöhnen",
es liegt zumeist an Zweck und Können.
Zu Klang und Schlag der Tön’ und Tasten
darf man auch mit dem Fuß nicht rasten,
damit die musische Affäre
durch Schlichtheit sich nicht selber störe.
Der Körper muß, um Schweiß zu wecken,
bald neigen sich und wieder strecken
und im Gesicht des Pianisten
vermisst man schnell den Visagisten.
So wird „Klavier“ für eine Weile
dem Pianisten in solch' Lage
trotz Harmonie der Einzelteile
zur Hände-, Fuß- und Körperplage.
Dudelsack spielt Klavier
Kurt Arnold Findeisen
Der Rhythmus mag noch sein.
Man klimpert freilich - und ich gesteh's,
eh' ich mich lange spreize -
im Takt der Zeit; vielmehr: die Zeit spielt uns.
Aber mehr als fünf bb und mehr als fünf ## sind unverzeihlich.
Was hilft's, daß man mit viel Pedal
die leidigen Konflikte fesch bemäntle,
tief aufschnäuze und unbefangen um sich blicke?
Stücke in Es-moll sind schwere Stücke,
ja, grad herausgesagt, bar aller Reize!
Und Energieverschwendung!
(Ein für allemal sei dies bemerkt zu Bildung und Vertiefung:
Es-moll ist keine Tonart, sondern eine Prüfung!)
„Mein Gott, wie himmlisch atonal Sie spielen!“
lispelt Fräulein Beteigeuze.
Und dies Verständnis scheint das einzig Tröstliche auf Erden.
Es mag aber immerhin unterm Flügel zusammengekehrt werden -
Klavierspieler
Robert Wallner
Sonntags treffen sich um vier
zu einem kleinen Ständchen.
zehn Finger pünktlich am Klavier,
fünf an jedem Händchen.
Erstmal spielen sie Etüden,
dann ein Menuett,
wenn alles klappt als Höhepunkt
ein Doppelhandduett.
"Ausgezeichnet, wunderbar!",
es brandet der Applaus.
Die Spieler, sie verneigen sich
und gehen dann nach Haus.
Fantasien
Eduard Möricke
Hört ihn und seht sein dürftig Instrument!
Die alte, klepperdürre Mähre,
An der ihr jede Rippe zählen könnt,
Verwandelt sich im Griffe dieses Knaben
Zu einem Pferd von wilder, edler Art,
Das in Arabiens Glut geboren ward!
Es will nicht Zeug, noch Zügel haben,
Es bäumt den Leib, zeigt wiehernd seine Zähne,
Dann schüttelt sich die weiße Mähne,
Wie Schaum des Meers zum Himmel spritzt,
Bis ihm, besiegt von dem gelassnen Reiter,
Im Aug die bittere Träne blitzt -
OH, horch! nun tanzt es sanft auf goldner Töne Leiter!
Aus einer Kindheit
Rainer Maria Rilke
Das Dunkel war wie Reichtum in dem Raume,
darin der Knabe, sehr verheimlicht, saß.
Und als die Mutter eintrat wie im Traume,
erzitterte im stillen Schrank ein Glas
Sie fühlte, wie das Zimmer sie verriet,
und küsste ihren Knaben: Bist du hier?...
Dann schauten beide bang nach dem Klavier,
denn manchen Abend hatte sie ein Lied,
darin das Kind sich seltsam tief verfing.
Es saß sehr still. Sein großes Schauen hing
an ihrer Hand, die ganz gebeugt vom Ringe,
als ob sie schwer in Schneewehn ginge,
über die weißen Tasten ging.
Vorspiel - Der geheime Held
William Shakespeare
Wie oft, wenn du, mein Lieb, ein Lied mir spielst
Und über diese leichtbewegten Tasten,
Mit denen du beseligend ins Ohr mir zielst,
Die Kuppen deiner süßen Finger hasten, -
Beneide ich die kecke Tastatur,
Die küssen darf das Inn're deiner Hand,
Das leidenschaftlich meinen Lippen nur
Gehören sollt, die es so zärtlich band.
Ach, würden diese Lippen einmal so berühmt,
Wie jenes tanzbeschwingte Holz,
Das alle Töne-Tage deine Finger spürt-,
Mit ihm zu tauschen, ja, das wär' mein Stolz.
Doch wenn der freche Klotz geküsst sein muss:
Reich ihm die Hand, die Lippe mir zum Kuss.
Der Tastenhengst
Heinz Erhardt
O eminenter Tastenhengst,
der du der Töne Schlachten lenkst
und sie mit jeder Hand für sich
zum Siege führst, dich preise ich!
Du bist ein gottgesandter Streiter,
ein Heros, ein Akkordarbeiter.
Im Schweiße deiner flinken Finger
drückst du auf jene langen Dinger,
die man gewöhnlich Tasten nennt,
und die, grad wie beim Schach getrennt
in Schwarz und Weiß ihr Dasein fristen,
als Requisit des Pianisten.
Doch nicht nur deiner Finger Schwielen
brauchst du zum Greifen und zum Spielen,
nein, was man meistens gar nicht glaubt:
du brauchst dazu sogar dein Haupt!
Mal fällt's, als ob du schlafen mußt,
auf deine stark erregte Brust,
mal fällts mit furchtbar irrem Blick,
so weit es irgend geht, zurück,
und kommst du gänzlich in Ekstase,
hängt dir ein Tropfen in der Nase.
Und hast du endlich ausgerast,
sagt sich der Hörer: Liszt - not last!
O eminenter Tastenhengst,
der du der Töne Schlachten lenkst
und sie mit jeder Hand für sich
zum Siege führst, dich preise ich!
Und jeder Hörer merkt alsbald:
du siegst mit Liszt, nicht mit Gewalt!
Das Klavier
Sandra Ritschel
Gleichgesetzt dem Zebrastreifen
hat so mancher seine Zweifel,
ob und wenn mit welch Geschick
man sich am besten d'rüberkrückt.
Am Anfang sitzt man ganz bedacht
erst einmal vor der Tastenschlacht.
Gehemmt und leicht gebückt
findet man dieses Instrument nicht gerade geglückt.
Denn - "Weiß" und "Schwarz" !
bereiten so manchem mächtig Sorgen
fast geblendet und bereits in Trance verloren,
hat man nun die Qual der Wahl!
Bei dieser - ach so Farbenpracht!
schätzt, rätselt, zählt man ab,
hofft dann im entscheidendem Moment,
das man doch die richtige Taste erkennt.
Mensch und Klavier
Peter Leitheim
Oh Mensch, Du musisch‘ Wesen,
wie gleichst Du dem Klavier,
Ob Füße, ob Pedale,
getreten gibst Du Ton von Dir.
Die Zähne gleich den Tasten,
von schwanweiß zu gelb.
Von schlicht bis zu edel,
die Form, ob dunkel oder hell.
Gesetzt im Klang nach Alter,
ob neu, gepflegt, verbraucht -
ob Tischklavier, ob Flügel,
als Riese oder Zwerg gebaut.
Den Takt im Klang erfassend,
die Stimme gleicht dem Ton.
Piano oder Forte, adagio, scherzo,
Introduzion.
Der Spieler ist das Umfeld,
das Menschen stets umgibt.
Was künstlerisch beflügelt,
oder uns betrübt
Die Noten die Gedanken,
beim Spiel und Klang erkennt
ob fröhlich-ungebunden,
ob ängstlich, gar gehemmt.
Die Saiten die Stimmbänder,
geübt oder verstimmt,
Geölt oder spröde,
die Stimmung es bestimmt.
Missgeschick amKlavier
Alfons Pillach
Er klimperte auf dem Klavier
und trank dabei ein kleines Bier.
Kurz hatte er am Bier genippt,
dabei ist es ihm umgekippt.
Kaum war es auf der Tastatur,
da klang Piano nur in Dur.
Von nun an war es voller Groll,
denn abgesoffen war das Moll.
Von einer Geige und einem Klavier
Alfons Pillach
Die Geige sprach zu dem Klavier:
„Dein Körperbau ist keine Zier!
Sieh her, wie bin ich doch grazil
und ebenso mein Saitenspiel!
Wie bin ich elegant und schlank
und habe Formen, Gott sein Dank!“
Piano schmunzelte und tönte:
„Wenn ich wie du der Schönheit frönte,
dann ginge ich, bevor ich sterbe,
zu einem Schönheitswettbewerbe!“
Doch dazu war die Geige,
trotz ihrer Formen, viel zu feige.
The Piano Student
Hillary Ascalom
At first I didn't even practice
When I started doing piano lessons,
Thought music theory was boring;
Had interest only in chord progressions.
After learning for almost a year
I wasn't anywhere ready for recitals,
My music repertoire was limited to
Just a few minuets, waltzes, and sonatas.
'How much longer?' I oft' wondered,
Before I advance to canons and fugues,
Concertos, rhapsodies, and symphonies
and challenging etudes?'
It was clear I had underestimated
The discipline and effort that it takes,
To achieve proficiency at the piano
And the sacrifice piano students make.
With a wiser and more matured mindset,
I mastered difficult pieces before long,
Even impressing my piano teacher,
Who could rarely find anything wrong.
Der Klavierschüler
Übersetzung
Zuerst habe ich nicht einmal geübt.
Als ich anfing, Klavierunterricht zu nehmen,
Dachte ich, Musiktheorie sei langweilig;
Hatte nur Interesse an Akkordfolgen.
Nach fast einem Jahr des Lernens
Ich war keinesfalls bereit für Vorspiele,
Mein Musikrepertoire war begrenzt auf
Nur ein paar Menuette, Walzer und Sonaten.
"Wie lange noch?" fragte ich mich oft,
Bevor ich zu Kanons und Fugen komme,
Konzerte, Rhapsodien und Sinfonien
und herausfordernde Etüden?
Es war klar, dass ich unterschätzt hatte.
Die Disziplin und Anstrengung, die es erfordert,
Zur Erlangung von Klavierkenntnissen
Und das Opfer, das die Klavierschüler bringen.
Mit einer weiseren und ausgereifteren Denkweise,
Meisterte ich schon bald schwierige Stücke,
Sogar meine Klavierlehrerin beeindruckend,
Die selten etwas Falsches finden konnte.
Ohne Titel
Verfasser unbekannt
Sei "Adagio" im Genießen
und "Allegro" im Entschließen.
Wer "Forte" seine Pflichen übt,
und "Piano" das Vergnügen liebt,
der lebt in reinster Harmonie
des Lebens schönste Symphonie.
Mit Recht erscheint uns das Klavier, Wenn's schön poliert, als Zimmerzier. Ob's außerdem Genuß verschafft, Bleibt hin und wieder zweifelhaft. Auch Fipps fühlt sich dazu getrieben, Die Kunst in Tönen auszuüben.
Er zeigt sich wirklich recht gewandt, Selbst mit der linken Hinterhand.
Der Künstler fühlt sich stets gekränkt, Wenn's anders kommt, als wie er denkt.
Mit Recht erscheint uns das Klavier, Wenn's schön poliert, als Zimmerzier. Ob's außerdem Genuß verschafft, Bleibt hin und wieder zweifelhaft. Auch Fipps fühlt sich dazu getrieben, Die Kunst in Tönen auszuüben.
Zeit und Raum für deinen Traum !